Die Psychoanalyse wird häufig auch als Erotologie bezeichnet, denn es gibt bei ihr kein eigentliches Objekt so wie die Natur- oder Geisteswissenschaften es haben. Sie ist einfach dem Eros verpflichtet, also der Liebe, dem Erotischen, kurz: allem was früher dem griechischen Gott Eros verbunden war. Dass wir heute eine Wissenschaft aus dem machen, was früher ein Gott war, ist eben moderne Selbstverständlichkeit.

Da geht es in der Erotologie schon echter, herzhafter und konkreter zu. Was die Menschen in einer Psychoanalyse erzählen ist doch wohl lebensnäher, oft deftiger,

Psychoanalytisch kann man auch sagen: „Eine gute Sexualtechnik ist eine primitive Wissenschaft". Das klingt ja doch ein bisschen gewaltiger als der Ruf nach der Caritas, es klingt vielleicht nach dem, was der Chaosforscher Cramer die „Chaosliebe" nannte. Und zuudem ist in dem obigen Satz auch noch Wissenschaft dabei. Aber vielleicht liegt die Betonung noch zu sehr auf dem Wörtchen primitiv. Da sollte man nicht stehen bleiben. Außerdem muss eine Sexualtechnik überhaupt nichts mit Liebe zu tun haben. Und auch

Dennoch führt uns dieser Satz Lacans dahin, dass Wissenschaft mit etwas zu tun haben muss, das den Liebes-Akt unterstellt. Die Liebe, der Eros als Handlung, als Tat, ja, als Akt. Denn ein Akt ist ein Urgeschehen, keine überlegt ausgedachte Handlung. Wenn Foucault sich mit der antiken Ars erotica beschäftigt hat, so deswegen, weil diese vorwiegend spontane Handlung war, Akt, Elementarstes. Aber vielleicht war sie nur das, zu sehr Urgeschehen, Mythos und zu wenig Wissenschaft, und hat deswegen nicht überlebt? Außerdem war sie mit Sicherheit - zumindest in der griechischen Antike - vorwiegend vom Begriff einer „männlichen Kraft"

Genau diese Verquickung hat S. Freud versucht mit seiner Psychoanalyse auf wissenschaftliche Weise zu klären und zu lösen, indem es um nichts anderes als um die Liebe, ihr

Soviel aber kann man schon im voraus sagen: Freud sieht die Liebe als Zusammenhalt, als Gleichgewicht, zwischen „Ichlibido und Objektlibido" an, wobei unter Libido die psychische Lust-Energie der Eros-Lebens-Triebe verstanden wird, die sich eben aufs Ich und auch auf die Objekte richten kann. Das ist endlich einmal eine klare Definition, auch wenn sie noch recht hölzern, abstrakt und nüchtern akademisch daherkommt. Gewiss, bei dieser Definition ist nicht mehr viel vom Liebes-Akt zu spüren, auch wenn die Liebes-Energie, die „Libido" (oder wäre nicht besser zu schreiben: Lieb-ido) doch d i e Kraft ist, d i e, um die es grundsätzlich geht.
Die Welt ist durch und durch erotisiert, sie ist durchdrungen von einem Liebesmagnetismus, den S. Freud also Libido nannte, und die eigentlich nur zu verstehen ist, wenn man ihr die Macht des Todes gegenüberstellt. Die Erotologie hat - wie schon erwähnt - kein Objekt, sondern kann nur erfasst werden, wenn sie einem gleichwertigen Mechanismus, Kraft, Magnetismus gegenübersteht, nämlich dem Tod, dem Thanatos (von Freud als Todestrieb benannt). Schon Sokrates sprach vom Eros als dem Kern der Seele, sprach davon, dass „das Sein in seinem tiefsten Wesen die erotische Werdelust selbst ist". Aber die Menschen flüchten vor dieser Erotisierung, weil sie nicht auszuhalten ist. Freud sprach hier von der Urszene, der unbewussten Teilhabe an der aggressiv Szene der elterlichen intimen Verbindung, und das sei nicht zu ertragen. Man ist darin verwickelt und doch ausgeschlossen, und so bleibt einem letztlich nur der Weg, sich darüber zu erheben, Einsicht zu nehmen aus einer gewissen Distanz, mehr Bewusstheit darüber zu bekommen.
(Anm. d. Redaktion: Die verwendeten Bilder stammen von T. Heydecker zum Thema 'Chaosliebe'.)
Gerd Riederer ist Psychoanalytiker in München. Der Name, Gerd Riederer, ist ein Pseudonym. Ich musste nicht nur meinen Namen, sondern auch Namen, Orte, Zeiten und einzelne Gegebenheiten meiner Bücher anonymisieren, weil es darin um authentische, persönliche psychotherapeutische Fallgeschichten geht, die nicht allgemein veröffentlicht werden können und sollen. Ich habe zwei Bücher geschrieben und auf meiner Website (erotologie.de) geht es hauptsächlich um das zweite dieser Bücher, dessen Inhalt und Probeseiten in der Rubrik Literatur zu finden sind.